Technik auch! Und damit ist ausnahmsweise nicht der Smartphone-Junkie gemeint, der beim Überqueren der Straße vors nächstbeste Auto rennt oder permanent irgendjemanden anrempelt, weil er mit der Nase auf dem Bildschirm hängt. Nein, wir widmen unsere Aufmerksamkeit heute einem Thema, das uns Übersetzern seit einiger Zeit unter den Nägeln brennt und auf den Namen „DeepL“ (https://de.wikipedia.org/wiki/DeepL) hört. Zugegebenermaßen fällt mir doch gerade Paragraf 6 des „Kölsche Jrundjesetz“ ein: „Kenne mer nit, bruche mer nit, fott domet!“ Sprich: Stehe Neuerungen kritisch gegenüber. Also dann, werfen wir doch mal einen näheren Blick auf dieses „Teufelswerk“. DeepL schöpft seine Übersetzungen aus einer enormen Datenbank, die – aufgrund ihrer Größe – natürlich nicht nur aus einer Quelle bestückt wird. Und da präsentiert sich auch schon das erste Problem: Man findet innerhalb einer Übersetzung gut und gerne verschiedene Schreibweisen, wie beispielsweise bei zusammengesetzten Wörtern. Sie tauchen innerhalb einer Übersetzung (besonders in Kombination mit Trados sehr gut zu erkennen) in verschiedenen Varianten auf: mit oder ohne Bindestrich, getrennt- oder zusammengeschrieben. Auch in Sachen Stilrichtung wird kein einheitliches Ergebnis erzielt. Beispiel gefälligst? Man nehme eine Bedienungsanleitung. Für Ausdrücke wie „Start programme“ findet man „Programm starten“ ebenso wie „Starten Sie das Programm“. Beides richtig, allein genommen. Doch im Zusammenhang? Der Fachübersetzer sieht, wann welche Version passt, das Programm weiß es nicht. Es denkt nicht, sondern führt nur aus. Wenn kein geschultes Auge eingreift, ist die gesamte Übersetzung letzten Endes unbrauchbar. Die Eigenschaft von DeepL, einfach „stur auszuführen“, birgt natürlich auch weitere Einschränkungen: Es lässt sich nicht für alle Textsorten nutzen. Bei technischen Übersetzungen oder Verträgen, in denen bestimmte Formulierungen gang und gäbe sind, ist DeepL als Unterstützung (zumindest für Englisch) durchaus zu gebrauchen, was aber ist z. B. mit literarischen Texten, Gedichten und Ähnlichem? Kleiner Test: Kennen Sie den einstigen Sommerhit „Despacito“ von Luis Fonsi? Wunderbar. Dann suchen Sie doch einfach mal den Songtext und geben Sie ihn auf der offiziellen Webseite von DeepL in das Übersetzungsfeld ein. Für diejenigen, die der spanischen Sprache mächtig sind: *facepalm*. Aber auch jemandem, der diesen Text auf Deutsch liest, dürfte diese Übersetzung Falten auf die Stirn getrieben haben. Oder ein Schmunzeln. Abgesehen davon: Die Welt ist schön, weil sie bunt ist. Wir wurden ja nicht umsonst als Individuen geboren, die sich durch ihre Vielfalt unterscheiden. So übersetzt Übersetzer A ein und denselben Text ganz anders als Übersetzer B. Während A lieber längere und komplexere Sätze bildet und, wenn es passt, auch gerne mal zwei Sätze zu einem zusammenfasst, ist B ein Freund von knappen, prägnanten Ausdrucksformen und macht aus einem Bandwurmsatz vielleicht mal zwei oder drei Sätze. A und B sind jedoch Fachübersetzer und wissen, in welchen Fällen sie ihr Potenzial ausschöpfen können, um einen Text sinngemäß und vollständig, idiomatisch und individuell formuliert wiederzugeben. DeepL reiht Sätze ohne Zusammenhang aneinander. Auch hier muss immer wieder geprüft werden, ob man es nicht besser (oder zumindest anders) ausdrücken kann, damit die Übersetzung der Textsorte angepasst ist, den Kundenwünschen entspricht und/oder der besseren Leserlichkeit dient. Und das ist das, was ich anfangs meinte: Technik macht blind, wenn man sie ohne Sinn und Verstand nutzt. DeepL kann und soll(te) einen Fachübersetzer keineswegs ersetzen. Nutzt man dieses Tool jedoch als reines Hilfsmittel und integriert es durch sein Fachwissen, erleichtert es einem durchaus die Arbeit. DeepL liefert Vorschläge, die man mit dem Ausgangstext abgleichen muss. Vorschlag sinnvoll und akzeptabel? Super! Nächster Satz. Vorschlag macht keinen Sinn? Ihr Einsatz, bitte! Eine Sache macht DeepL allerdings schon ganz gut: Auf Rechtschreibung und Grammatik kann man sich verlassen. Das beschleunigt die Arbeit ungemein, denn man muss nur noch prüfen, ob der übersetzte Satz terminologisch korrekt ist und im richtigen Zusammenhang steht, und man muss nur noch ändern, was nicht passt (im Übrigen viel weniger Tipparbeit – Arme und Rücken danken!). Und da Lesen bekanntlich schneller vonstattengeht als Schreiben, freut sich auch das Freizeitkonto. Wie bei allen Neuerungen bedarf es ein wenig Übung. Wenn man aber den Dreh raushat, wird man nach und nach merken, dass Mensch und Technik zusammenarbeiten können. Wir haben uns ja schließlich auch an die Tausenden von Hilfsmitteln gewöhnt, die uns täglich im Haushalt zur Verfügung stehen. Warum nicht also auch DeepL die Hand reichen?